Werbung in Telegram: komisch, unpassend, unvermeidlich
Telegram, der Messenger, der behauptet, sich an erster Stelle um Sicherheit und Privatsphäre zu kümmern, hat im letzten Herbst eine Werbeplattform angekündigt. Unternehmen sollen nun in der Lage sein, Beiträge in öffentlichen Kanälen mit mehr als 1000 Mitgliedern zu bezahlen. Keine externen Links in Anzeigen — nur Links zu anderen Plattformen. Keine Werbung in persönlichen Nachrichten. Kein Verhaltens-Targeting — nur kontextbezogenes. Keine Sammlung und Verwendung persönlicher Daten. Die Ankündigung wurde positiv aufgenommen: Die Leute hofften, dass Telegram Werbung wieder großartig machen würde — Werbung, die sich ausschließlich nach dem Inhalt und nicht nach dem Verhalten der Nutzer richtet.
Aber die Nutzer, die in einer kleiner Testgruppe die Telegram-Werbung sahen und damit interagierten, waren echt kritisch und enttäuscht. Worüber waren sie so unzufrieden? Sind wir nicht schon an die Werbung gewöhnt?
Fehler wurden gemacht
Wie so oft, wenn man beginnt, ein neues Produkt zu testen, was auch immer es ist, stellt sich schnell heraus, dass es mehr Fallstricke gibt, als wahrscheinlich erwartet wurde. Werbeplattformen sind da im Allgemeinen keine Ausnahme, und Telegram ist keine Ausnahme im Besonderen. Hier sind nur einige Dinge, die schief gelaufen sind:
Dieselben Anzeigen erschienen in allen Kanälen mit mehr als 1000 Abonnenten. Zu den ersten Telegram-Werbeanbietern zählten insgesamt 18 Kanäle, darunter zwei von Pavel Durov selbst. Es dauerte nicht lange, bis die Abonnenten es leid waren, immer wieder die gleiche Werbung zu sehen.
Der Werbebeitrag sollte der letzte (neueste) Beitrag in einem Kanal sein — und das war er auch. Die Entwickler des Messengers hatten es natürlich besser gemeint: sie hatten sich offensichtlich gedacht, dass die Leute alle Posts in diesem Kanal lesen würden und dann, müde, aber glücklich, am Ende die Anzeige sehen würden.
In der Wirklichkeit gingen die Leute zur letzten Nachricht (weil sich bereits Dutzende oder sogar Hunderte von ihnen angesammelt haben), und nachdem sie die letzte gelesen hatten, scrollten sie zu den früheren zurück, bis sie sich langweilten. Die Posts häuften sich schnell an, die abonnierten Kanäle vermehrten sich, und es war einfach unmöglich, alles zu lesen: dazu noch gab es diese Schaltfläche, mit der man zum letzten Post gelangen konnte. Die Leute klickten darauf und gelangten immer wieder zum gleichen Werbebeitrag.
Und die Leute, die ein anderes Schema für sich gewählt hatten und nur wenige für sie wichtige Kanäle abonnierten und sie von Anfang bis Ende lasen, stoßen noch öfter auf die Anzeige-Posts, denn sie mussten die Werbung jedes mal sehen, wenn ein neuer Post erschien.
Es ist nicht klar, wie die Anzeigen moderiert wurden. Die Hälfte der Kanäle, die am Test teilnahmen, gehörten zu Kryptoprojekten — und Kryptounternehmen gehörten zu den am meisten beworbenen. Und wir haben einige Bedenken, ob die Anzeigeninhalte wirklich moderiert werden sollten. Betrügereien bei Kryptoprojekten treten relativ häufig auf, die Einnahmen solcher Betrügereien sind groß genug, und es ist schwierig, sich davor zu schützen — nicht gerade das beste Thema für Werbung, oder? Aber es ist wahrscheinlich nicht weniger schwierig, das Kryptogeld abzulehnen.
Der Inhalt der Anzeigen war fast immer irrelevant. Es wurde angekündigt, dass die Anzeigen mit dem Inhalt der Kanäle übereinstimmen sollten. Meistens war das aber nicht der Fall. Vielleicht wird sich das ändern, wenn mehr Kanäle an diesem Programm teilnehmen.
Unwissenheit ist keine Entschuldigung. Das Telegram-Team hatte gesagt, dass die Entwickler von Drittanbieter-Clients auf der Telegram-API auch die Werbeplattform zum Laufen bringen sollten, andernfalls würden sie von der API getrennt. Huawei kann Google Play aufgrund von US-Sanktionen nicht für seine Geräte nutzen. Telegram hatte einst einen Client für Huawei entwickelt und diesen dann aufgegeben, ohne ein Update für die Werbeplattform zur Verfügung zu stellen. Das heißt, die App würde gerne Werbung anzeigen, kann aber nicht. Deshalb wurde sie blockiert.
Ein Versprechen wurde gebrochen. Dies könnte der Hauptgrund sein, warum die Öffentlichkeit so negativ reagiert hat. In der FAQ von Telegram stand einst im Klartext, dass es keine Werbung im Messenger geben würde, niemals. Nach der Ankündigung der Plattform wurde die FAQ überarbeitet, aber das Internet vergisst nichts — genauso wie die Menschen. Und für ein Unternehmen, das Sicherheit und Datenschutz als die Hauptmerkmale seines Produkts angibt, ist es kein guter Ton, seine Worte einfach so zurückzunehmen.
Es geht doch ums Geld
Na eigentlich gab es in vielen Telegram-Kanälen noch vor dem Start der offiziellen Werbeplattform genug Werbung und andere Arten von gesponserten Inhalten.
Well, to be honest, there had been plenty of ads and other types of sponsored content in Telegram channels even before the official ad platform was launched. But it was actually users' amateur initiative that produced no revenue for Telegram itself.
Und Telegram braucht Geld. Erstens benötigen sie Mittel für die Unterstützung und Entwicklung des Messengers. Zweitens hat die gescheiterte TON-Initiative viel gekostet: Das Unternehmen musste fast 2 Millionen Dollar an die Teilnehmer des Initial Coin Offerings (ICO) zahlen, das die SEC, die US-Börsenaufsicht, annulliert hatte.
Zur Erinnerung: TON ist die Telegram-eigene Blockchain, auf deren Basis der Messenger eine Plattform für die Entwicklung dezentraler Anwendungen integrieren wollte, die Zahlungen und andere Transaktionen unterstützen. Telegram veranstaltete einen geschlossenen ICO TON für professionelle Investoren. Ein ICO ist ein Initial Coin Offering, ein Vorverkauf einer zukünftigen Kryptowährung. Die US-Börsenaufsichtsbehörde stufte den ICO als „Wertpapierangebot“ ein, für das bestimmte Regeln gelten. Die Regeln hatte Telegram nicht eingehalten, weil es die Token, die es verkaufte, nicht als Wertpapiere betrachtete und sogar versuchte, die SEC im Voraus zu informieren — aber die SEC entschied anders.
Telegram hat TON offiziell aufgegeben, aber es wird jetzt von einem unabhängigen Team (so sagen sie zumindest) als Open-Source-Projekt entwickelt. Pavel Durov hat kürzlich öffentlich seine Unterstützung dafür bekundet.
Die Investoren haben jedoch weiterhin Vertrauen in Telegram. Vor einem Jahr verkaufte das Unternehmen Wandelanleihen im Wert von einer Milliarde Dollar. Die Besitzer werden diese nach dem bereits vorsichtig angekündigten Börsengang des Messengers in Aktien umtauschen können. Bei den Käufern handelte es sich um zwei in Abu Dhabi ansässige Investmentfonds (darunter ein staatlicher). „Ein Projekt unserer Größe braucht mindestens ein paar hundert Millionen Dollar pro Jahr, um am Laufen zu bleiben“, sagte Pavel Durov zu dieser Investition. Und Investoren brauchen Ergebnisse, sie müssen sehen, dass das Startup in der Lage ist, Geld einzubringen, und es nicht einfach verbrennt.
Das Geld braucht Telegram bereits so sehr, dass es nicht vorhat, die Werbeeinnahmen mit den Urhebern von Inhalten zu teilen. Für den Moment. Dann, vielleicht eines Tages. Wenn diese Einnahmen beginnen, die „Grundkosten“ zu decken.
Pavel Durov hat jedoch ein kostenpflichtiges Abonnement angekündigt, das es ermöglicht, keine Werbung zu sehen. Das heißt, Anzeigen, die über die offizielle Plattform geschaltet werden. Von den Anzeigen, die die Kanalbetreiber direkt verkaufen, dürfte das Abonnement jedoch kaum retten.
Aber die Kanalbesitzer sollen Werbeplätze bei sich selbst kaufen können, damit nichts Unnötiges und Fremdes auf ihrem Kanal erscheint. Ja, normalerweise werden die Eigentümer einer Medienseite für die Platzierung von Werbung bezahlt, aber hier werden sie für das Ausbleiben von Werbung bezahlen.
Was ist mit der Werbeblockierung?
Die Tests der Werbeplattform haben sich beruhigt, wir wissen nicht, wann sie offiziell eingeführt wird. Aber da es Telegram in erster Linie ums Geld geht, ist es nicht schwer zu vermuten, dass die Werbung früher oder später in voller Breite Einzug halten wird. Und unsere Aufgabe hier ist es, unsere Möglichkeiten zu untersuchen, wie wir mit Anzeigen arbeiten können — und sie alle blockieren.
Derzeit können wir den Datenverkehr des Telegram-Messengers nicht abfangen: Es handelt sich immerhin um einen geschützten Messenger. Wir könnten die Werbung in der Webversion von Telegram unter web.telegram.org
blockieren, aber dort gibt es (noch) keine Werbung. Sie können also vorerst nur den Web-Client verwenden, wenn Sie die Werbung um jeden Preis vermeiden wollen. Aber wir arbeiten daran, auch in der Android-App von Telegram Werbung zu blockieren — wir können noch nichts versprechen, aber es ist sehr gut möglich, dass wir damit Erfolg haben werden.