Das Blatt wendet sich: Werbefreie Bezahlversion von Facebook und Meta
Fünf Jahre sind vergangen, seit die damalige COO von Facebook, Sheryl Sandberg, eine kostenpflichtige Option angedeutet hat, mit der gezielte Werbung abgewählt werden kann. Nun mag diese Funktion endlich für Facebook- und Instagram‑Nutzer:innen in der EU verfügbar sein.
Sie fragen vielleicht, warum Meta so lange gebraucht hat. Das Unternehmen hat sich nicht unbedingt dazu entschlossen, diese Option einzuführen, sondern wurde dazu gezwungen.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal erwägt Meta, in der EU kostenpflichtige, werbefreie Abos einzuführen. Der Grund dafür sind strengen Datenschutzgesetze und die zunehmende Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden. Diese haben es seit 2018, als die bahnbrechende Datenschutz‑Grundverordnung in Kraft trat, auf Big‑Tech abgesehen, darunter auch Meta. Das Gesetz hat EU‑Nutzer:innen mehr Kontrolle darüber gegeben, wie ihre persönlichen Daten von Tech‑Giganten verwendet werden. In einer perfekten Welt müssten Tech-Unternehmen immer die Zustimmung der Nutzer:innen einholen, bevor sie ihre Daten für Gewinne nutzen, doch so einfach ist die Welt nicht. Meta hat versucht, langsam aus dieser Klemme herauszukommen. Hier eine kurze Zusammenfassung, wie Meta das angegangen ist.
Meta streitet sich mit Regulierungsbehörden …
Kurz vor Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 hat Meta eine tückische Taktik angewandt, um die Verarbeitung von Nutzerdaten zu erleichtern. Statt die Zustimmung der Nutzer:innen einzuholen, hat das Unternehmen die „vertragliche Notwendigkeit“ als Grundlage für die Datensammlung erklärt. Damit wurde argumentiert, dass die Anzeige personalisierter Werbung für die Erfüllung des Vertrags mit den Nutzer:innen unabdingbar sei. In der Praxis hatte jeder, der Instagram oder Facebook nutzen wollte, keine andere Wahl, als die Datensammlung von Meta zu akzeptieren. Dies widersprach dem Geist der DSGVO, die Unternehmen daran hindern sollte, die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bedingung für die Nutzung ihres Dienstes zu machen, sofern diese Daten nicht unbedingt für die Erbringung dieses Dienstes erforderlich waren. Da das Hauptprodukt von Facebook, zumindest auf dem Papier, nie darin bestand, Daten für Werbezwecke zu sammeln, sondern nur in sozialen Netzwerken, machte die Ausrede der „vertraglichen Notwendigkeit“ von Anfang an wenig Sinn. Schon bald reichte der Datenschutzaktivist Max Schrems eine Beschwerde gegen Meta ein, weil das Unternehmen, wie er es nannte, eine „erzwungene Zustimmung“ anwendet, um den Nutzer:innen ihre persönlichen Daten abzupressen.
„Die Sache ist ganz einfach: Wenn etwas für einen Dienst unbedingt erforderlich ist, benötigt man keine Zustimmung mehr. Für alles andere müssen Nutzer:innen eine echte Wahlmöglichkeit haben, um ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu sagen“, schrieb Schrems 2018.
Im folgenden Jahr versuchte das Bundeskartellamt, Metas Praktiken der Datenhortung und -pooling zu unterbinden. Meta wurde untersagt, Daten über Nutzer:innen, die es über seine zahlreichen Dienste (WhatsApp, Instagram, Facebook) gesammelt hatte, ohne deren Zustimmung zu kombinieren. Zusätzlich wurde Meta daran gehindert, Daten über Nutzer:innen von Websites Dritter ohne deren Zustimmung über Like-Buttons und unsichtbare, einbettbare Codes, sogenannte „Zählpixel“, zu erfassen. Diese Entscheidung drohte Metas gesamtes Werbeverkaufsmodell zu Fall zu bringen, wenn die Aufsichtsbehörden im Ausland davon erfahren würden. Daraufhin klagte das Unternehmen von Mark Zuckerberg umgehend gegen die Entscheidung und es folgte ein langwieriger Rechtsstreit.
Während dieses Rechtsstreits hat die EU‑Aufsichtsbehörde nicht untätig zugeschaut. Im Januar 2023 wurde von der irischen Datenschutzkommission eine Geldstrafe in Höhe von 414 Millionen Dollar gegen Meta verhängt, da es keine angemessene Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten von EU‑Nutzer:innen für personalisierte Werbung gab. Die Kommission stellte fest, dass Meta „nicht berechtigt war, sich im Zusammenhang mit der Bereitstellung verhaltensbezogener Werbung als Teil seiner Facebook- und Instagram‑Dienste auf die Rechtsgrundlage ‚Vertrag‘ zu berufen“. Durch die fortgesetzte Berufung auf die „vertragliche Notwendigkeit“ der Verarbeitung von Nutzerdaten für Werbung hat Meta gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen.
Diese Entscheidung hat eine große Wirkung gehabt und dazu geführt, dass Meta die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung erneut ändern musste. Diesmal wurde „berechtigte Interessen“ als Grundlage gewählt. Allerdings hielt auch diese Änderung nicht lange vor. Sechs Monate später erlitt Meta durch das höchste Gericht der Europäischen Union, den Europäischen Gerichtshof, den bisher wohl härtesten Schlag. In einem langen Rechtsstreit zwischen dem Bundeskartellamt und Meta entschied das Gericht am 4. Juli 2023 zugunsten der deutschen Wettbewerbsbehörde. Das Bundeskartellamt untersagte es Meta, die Daten zu kombinieren, die es über die Nutzer:innen gesammelt hatte, indem Meta sie über seine zahlreichen Plattformen und Websites von Drittanbietern verfolgte. Das Gericht betonte, dass „allein die Tatsache, dass Nutzer:innen Websites oder Apps besuchen, die sensible Daten offenlegen können, keineswegs bedeutet, dass Nutzer:innen ihre Daten öffentlich machen“. Der wichtigste Punkt des Urteils war jedoch, dass Meta sich nicht mehr auf „berechtigte Interessen“ berufen kann, um die Daten der Nutzer:innen zu sammeln und sie mit Werbung anzusprechen, wenn es nicht deren Zustimmung hat.
… und verliert dabei
Die Entscheidung der europäischen Kolleg:innen ermutigte die Datenschutzbehörde in Norwegen, die als Erste ein vorübergehendes Verbot für verhaltensbezogene Werbung auf Instagram und Facebook gegen Meta verhängte. Außerdem muss Meta hohe Geldstrafen bezahlen, weil es Nutzerprofile ohne Zustimmung erstellt hatte. Mehr dazu können Sie in unserem früheren Artikel lesen.
Weitere rechtliche Angriffe auf das Geschäft mit verhaltensbezogener Werbung von Meta wurden aufgrund des neuen EU‑Gesetzes über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) erwartet und Meta hatte keine andere Wahl, als nachzugeben.
DMA verbietet ausdrücklich die Kombination von Daten und die gegenseitige Nutzung personenbezogener Daten. Das Gesetz soll bis 2024 vollständig in Kraft treten.
Am 1. August gab das Unternehmen bekannt, dass es die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Nutzerdaten von „berechtigten Interessen“ auf „Einwilligung“ ändern wird. Dadurch schließt sich der Kreis. Wenn wir alles, was Meta sagt, für wahr halten, bedeutet das, dass Nutzer:innen endlich die Möglichkeit haben werden, Nein zu sagen, wenn sie für Werbung verfolgt und profiliert werden. Und wenn der Bericht des Journals stimmt, wird der nächste Schritt für Meta darin bestehen, die EU‑Regulierungsbehörden davon zu überzeugen, dass Instagram- und Facebook‑Nutzer:innen eine Wahl haben, wenn es um ihre persönlichen Daten geht. Hierfür wird Meta vermutlich eine werbefreie Option einführen, die wahrscheinlich noch weniger Tracking beinhalten wird — zumindest hoffen wir das.
Gerücht über Meta‑Abos: Vorwand oder tatsächliche Kehrtwende?
Jedoch ist es notwendig, Nachrichten über das vermeintliche kostenpflichtige Angebot von Meta bezüglich seiner werbefreien Option mit Vorsicht zu betrachten, auch wenn wir uns sehr danach sehnen. Es ist zu wenig über die angebliche Option für die EU bekannt, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen. Unter Berufung auf anonyme Quellen berichtete das Journal, dass Meta in der EU sowohl werbegestützte als auch werbefreie Versionen seiner Dienste anbieten wird. Bislang gibt es keine Informationen darüber, wie viel Meta für seine werbefreien Angebote verlangen wird und wann sie eingeführt werden sollen.
Es wäre aber interessant zu erfahren, welche Zahlen dahinterstecken. Diese könnten uns zeigen, wie viel Meta durch die Sammlung von Daten eines einzelnen Nutzers verdient, wenn wir davon ausgehen, dass eine Abonnementgebühr den Verlust von Werbeeinnahmen ausgleichen soll. Die Zurückhaltung von Meta bei der Einführung einer kostenpflichtigen werbefreien Option in der Vergangenheit könnte jedoch darauf hindeuten, dass es sehr schwierig oder sogar unmöglich wäre, die Werbeeinnahmen durch Abonnements zu ersetzen. Es könnte sein, dass Meta eine werbefreie Option nur als symbolische Geste anbietet, um auf Datenschutzbedenken zu reagieren, ohne wirklich daran interessiert zu sein.
Die Anzeigenverfolgung war schon immer der Kern des Geschäftsmodells von Facebook und später Meta. Es ist kaum vorstellbar, dass das Unternehmen eine völlige Kehrtwende vollzieht. In der Geschichte des Unternehmens ging es darum, das System auszunutzen und Schlupflöcher zu finden, wenn jemand, sei es Apple oder die Regulierungsbehörden, versuchte, seine Tracking‑Aktivitäten einzuschränken. Im Jahr 2018, als Meta noch Facebook hieß, verglich der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Stephen Deadman Facebook‑Werbung mit Rädern, die ein Auto fahren lassen, wobei das Auto Facebook selbst ist. Er sagte: „Es macht keinen Sinn, ein Auto zu kaufen und dann zu sagen, dass man es ohne Räder haben möchte. Man kann verschiedene Arten von Rädern wählen, braucht aber immer noch Räder“.
Da Meta keine Anzeichen dafür zeigt, dass es die Einführung werbefreier Abos auch außerhalb der EU erwägt, kann man davon ausgehen, dass das Unternehmen dies nicht als gute Geschäftsstrategie ansieht. Das Werbegeschäft von Meta erlebt gerade eine Renaissance. Da Europa nach Nordamerika die zweitgrößte Region für Meta ist (etwa 10 % des Werbegeschäfts), hat das Unternehmen wahrscheinlich gehofft, etwas Geld von europäischen Vermarktern zu bekommen. Stattdessen muss sich das Unternehmen mit den Datenschutzbehörden herumschlagen und seine Tracking-Aktivitäten unter Androhung hoher Geldstrafen einschränken.
Es bleibt jedoch die Frage offen, ob die drohenden Strafen für Meta abschreckend genug sind, um die Nutzer:innen nicht mehr ohne ihr Wissen für Daten zu schröpfen. Da Meta eine Vorliebe für fragwürdige Praktiken hat, ist es wahrscheinlich, dass wir in Zukunft weitere Auseinandersetzungen zwischen dem Unternehmen und den Regulierungsbehörden erleben werden, auch wenn es momentan den Anschein hat, dass die Behörden die Oberhand gewinnen.