Wie Werbelocker den Nachrichtenkonsum verbessern können
Nachrichtenmedien und Werbeblocker werden oft als Erzfeinde dargestellt. Die allgemeine Annahme ist, dass Werbeblocker den Verlegern schaden, indem sie ihnen wichtige Werbeeinnahmen entziehen, die sie zum Überleben benötigen. Die Argumentation dahinter besagt, dass Nutzer:innen bereit sind, eine Flut von aufdringlichen und störenden Anzeigen tolerieren und somit für Inhalte zu zahlen.
Jedoch wird diese Argumentation durch die wachsende Beliebtheit von Werbeblockern in Frage gestellt. Inzwischen verwenden etwa 37 % der Internetnutzer:innen Werbeblocker für einige oder alle ihrer Online-Aktivitäten. Dies bedeutet, dass die Nutzer:innen mit dem Kompromiss zwischen Werbung und Inhalt nicht vollständig zufrieden sind.
Quelle: GWI/Hootsuite
Eine oft übersehene Frage ist, wie Werbung das Surfen beeinflusst und ob sie Nutzer:innen davon abhält, auf Websites zurückzukehren und den Nachrichten zu folgen. Viele Verleger gehen davon aus, dass Nutzer:innen Werbung als notwendiges Übel betrachten und auf jeden Fall wiederkommen werden. Doch ob diese Annahme stimmt, wurde bisher nicht überprüft. Eine Forschergruppe hat sich nun die Mühe gemacht, genau das zu untersuchen.
In ihrer Studie 2022 mit dem Titel „How does the Adoption of Ad Blockers Affect News Consumption?“ (Wie wirkt sich die Einführung von Werbeblockern auf den Nachrichtenkonsum aus?) vergleichen sie die Konsumgewohnheiten von Nutzer:innen, die Werbung blockieren, mit denen von Nutzer:innen, die keine Werbung blockieren. Das Ergebnis war interessant. Nutzer:innen, die mit dem Blockieren von Werbung begannen, lasen auch mehr Artikel und über mehr Themen auf einer Nachrichten-Website als diejenigen, die sie ohne Werbeblocker besuchten. Überraschenderweise können Werbeblocker sogar ein Gewinn für Nachrichtenmedien sein. Man entdeckte, dass Nutzer:innen, die Werbung blockieren, eher dazu neigen, die Website erneut zu besuchen und somit potenzielle treue Leser:innen und Abonnent:innen zu werden. Dies könnte den Verlegern langfristig höhere Einnahmen bringen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie
In der Untersuchung wurden 3,1 Millionen Besuche von 79.856 registrierten Nutzer:innen auf einer renommierten europäischen Nachrichten-Website analysiert, die vergleichbar mit dem Guardian oder der New York Times ist. Die Nutzer:innen wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt, basierend auf ihrer Verwendung von Werbeblockern. Eine Gruppe, die sogenannte „Kontrollgruppe“, besuchte die Website während des gesamten Experiments (16 Wochen) ohne Werbeblocker, während andere Gruppen, die als „Behandlungsgruppen“ bezeichnet wurden, begannen etwa in der 12. Woche des Experiments (frühe Anwender) oder etwas später, Werbeblocker zu verwenden. Die Forscher:innen verglichen dann den Nachrichtenkonsum der Behandlungsgruppen mit dem der Kontrollgruppe und untersuchten, ob die Verwendung von Werbeblockern das Verhalten auf der Website beeinflusste.
Quelle: How does the Adoption of Ad Blockers Affect News Consumption?
Der Name der Website wurde nicht genannt, aber es wurde erwähnt, dass sie durchschnittlich fünf Anzeigen auf der Startseite und drei Anzeigen auf jeder Artikelseite hatte.
Die Ergebnisse zeigten eine signifikante und konsistente positive Auswirkung der Verwendung von Werbeblockern auf die Menge und Vielfalt des Nachrichtenkonsums. Hier sind einige der gemeldeten Zahlen:
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Die Zeit, die pro Besuch auf der Website verbracht wurde, stieg um 47,4 % in einer Woche und um 24,3 % in fünf Wochen nach der Einführung des Werbeblockers
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Die Anzahl der Artikelaufrufe nahm um 43,2 % in einer Woche und um 21 % in fünf Wochen nach der Einführung des Werbeblockers zu
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Die Vielfalt der Themen stieg um 29,1 % in einer Woche und um 13,4 % in fünf Wochen nach der Einführung des Werbeblockers
Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die mit Werbeblockern bewaffneten Nutzer:innen eine bessere Erfahrung auf der Nachrichten-Website machen und dadurch länger bleiben, gründlicher lesen und mehr Themen erkunden. Dies kommt sowohl den Verlegern zugute, die ihr Lesepublikum halten wollen, als auch den Leser:innen selbst, die ihre Perspektive auf die Dinge erweitern können.
Aber warum macht ein Werbeblocker so einen Unterschied? Dafür kann es viele Gründe geben, aber einer liegt auf der Hand: Weniger Werbung bedeutet weniger Ablenkung. Es ist leichter, sich auf einen Artikel zu konzentrieren, wenn man nicht ständig von lästiger Werbung bedrängt wird. Es ist auch viel angenehmer, einen Artikel bis zum Ende zu lesen, wenn man nicht mitten im Text von einem Pop‑up unterbrochen wird.
Auch die Autor:innen der Studie sind dieser Meinung:
Der Einsatz von Werbeblockern könnte den Nutzer:innen ermöglicht haben, den Artikeln, die sie lesen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken, auch wenn sie bei jedem Besuch weniger Nachrichtenartikel gelesen haben. Die Verwendung von Werbeblockern könnte sich besonders auf die Nutzererfahrung ausgewirkt haben (weil sie ihnen mehr Spaß gemacht hat), was dazu führte, dass sie die Website häufiger besuchten und eine bessere Zeit dort hatten.
Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Wer keine Werbeblocker verwendet, liest weniger Nachrichten und wird möglicherweise auch weniger mit unterschiedlichen Ansichten konfrontiert. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die Menge der konsumierten Nachrichten um 25,7 % zurückging, wenn die Nutzer:innen keine Werbeblocker mehr verwendeten. Die Vielfalt der Themen, über die sie lasen, nahm nach einer Woche um 16,8 % ab.
Was soll man davon mitnehmen?
Die Studie deutet darauf hin, dass die Verwendung von Werbeblockern die Chancen erhöht, auf dem neuesten Stand zu bleiben. In der heutigen Zeit bedeutet Information Macht, daher ist dies keine Kleinigkeit.
Für die Verleger wirft die Studie auch interessante Fragen auf. Sie stellt die Annahme in Frage, dass Werbeblockierung von Natur aus schlecht für das Geschäft ist und dass Werbung die einzige Möglichkeit ist, Geld zu verdienen.
Die Forscher:innen argumentieren, dass „das gesteigerte Engagement von Werbeblocker-Nutzer:innen in Abonnementeinnahmen umgewandelt werden könnte“. Da immer mehr Menschen Werbeblocker verwenden, scheint ein Abonnementmodell eine sichere Wette für die Zukunft zu sein, während ein werbegestütztes Modell der Geschichte angehören könnte (obwohl Tech-Giganten anderer Meinung sind). In der Studie wurde es festgestellt, dass Nutzer:innen, die Werbung blockieren, in der Regel eher bereit sind, für Abonnement zu zahlen als diejenigen, die sich mit Werbung abfinden. Die Studie zeigte auch, dass Gelegenheitsnutzer:innen, die mit der Verwendung von Werbeblockern begannen, zu engagierten und häufigeren Besucher:innen der Website wurden und sich in „Heavy User“ verwandelten. Und diese Nutzer:innen können leicht in Abonnenten „umgewandelt“ werden.
Die Verwendung eines Werbeblockers kann sowohl für Nachrichtenkonsumenten als auch für Verleger von Vorteil sein. Ein Werbeblocker kann dazu beitragen, die Qualität des Nachrichtenkonsums zu verbessern und das Interesse am Kauf eines Abonnements zu wecken. Werbeblocker sind also vielleicht nicht der Feind der Nachrichtenmedien, sondern eher ein Freund oder zumindest ein freundlicher Helfer. Was die Nutzer:innen betrifft, so waren Werbeblocker immer auf ihrer Seite und werden es auch in Zukunft sein.