Mozilla in der Ad-Tech: Sind Datenschutz und Profit vereinbar?
Im vergangenen Monat hat Mozilla offiziell bekannt gegeben, was viele vielleicht schon lange vermutet haben: den Einstieg in den Bereich der Werbetechnologie. In einem Blogbeitrag äußerte der Präsident von Mozilla, Mark Surman, eine Aussage, die bei einigen Datenschutzbefürwortenden auf Widerstand stoßen könnte. Surman stellte eine Frage: „Wie können wir gewährleisten, dass Privatsphäre kein Privileg einiger weniger ist, sondern ein Grundrecht, das allen zugutekommt?“ Dann gab er seine Antwort und räumte ein, dass es keine Universallösung gebe. Laut Surman liegt ein Teil der Antwort in der „Online-Werbung“. Er ergänzte, dass Mozilla in diesen Bereich eingestiegen sei, um das „grundlegend fehlerhafte“ System zu reparieren.
Klingt das nicht irgendwie vertraut? Mozilla folgt einem bereits eingeschlagenen Weg, jedoch mit einer Besonderheit: Seine Reise begann am entgegengesetzten Ende. So wie Google mit seiner Protected Audience API als Teil der Privacy Sandbox und Microsoft mit seiner Ad Selection API versucht auch Mozilla, Datenschutz und Werbung miteinander zu verbinden. Während Werbung jedoch schon immer ein zentraler Bestandteil von Microsoft war und fast synonym für Google ist, hatte Mozilla damit nie eine enge Verbindung. Wie kam es also zu diesem Wandel?
Der Prozess verlief schrittweise, wurde aber in letzter Zeit deutlicher. In diesem Sommer übernahm Mozilla überraschend Anonym, ein Unternehmen für Werbemetriken. Mozilla behauptete, dass die Übernahme die Werbelandschaft verbessern würde, indem sie ein effizientes Targeting ermöglicht und gleichzeitig angeblich die Nutzerdaten schützt. Einen Monat später folgte ein weiterer umstrittener Schritt: die Einführung von Privacy-Preserving Attribution (PPA), einer Funktion, die es Werbetreibenden erlaubt, die Leistung von Werbung zu verfolgen. PPA, das in der neuesten Version von Firefox standardmäßig aktiviert ist, wird von Mozilla als „nicht-invasive Alternative zum seitenübergreifenden Tracking“ beschrieben.
Unsere Meinung dazu, jetzt da die Wende endgültig ist
Wie stehen wir dazu, dass Mozilla nun endgültig in die Werbetechnologie eingestiegen ist? Der Präsident von Mozilla hat im Wesentlichen festgestellt, dass das aktuelle Werbemodell fehlerhaft und ineffizient ist – darüber besteht Einigkeit. Das Ziel von Mozilla ist es, die Online-Werbung zu verbessern, indem sie datenschutzfreundlicher gestaltet wird, und zwar nicht nur innerhalb des Browsers, sondern im gesamten Internet.
Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben, zumal wir ebenfalls der Überzeugung sind, dass Online-Werbung nicht verschwinden, sondern weiterhin bestehen wird. Was die Innovation angeht, bringt Mozilla jedoch nichts grundlegend Neues hervor. Ähnlich wie Google mit seiner Privacy Sandbox, Microsoft mit seiner Ad Selection API und Brave mit seiner „datenschutzorientierten Werbung“ versucht Mozilla, dem traditionellen Konzept der gezielten Werbung eine datenschutzfreundliche Note zu verleihen.
Um es deutlich zu machen: Interessenbasierte Werbung hat ihren Sinn und ihre Logik. Das Problem liegt jedoch darin, dass keiner dieser neuen Ansätze das zentrale Problem der extrem zielgerichteten Werbung in Frage stellt, nämlich das Retargeting. Dabei handelt es sich um die Verfolgung von Nutzer:innen über verschiedene Websites hinweg, nachdem sie Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung gezeigt haben. So werden sie quasi durch das Internet „verfolgt“. Obwohl Mozilla fortschrittliche Verschlüsselungs- und Aggregierungstechniken anbietet, um den Datenaustausch so privat und sicher wie möglich zu gestalten, empfinden viele Menschen die Vorstellung, über mehrere Websites hinweg verfolgt zu werden, nach wie vor als aufdringlich.
Warum unternimmt Mozilla diesen Schritt?
Das Bestreben von Mozilla, die Online-Werbung durch einen datenschutzfreundlichen Ansatz zu verbessern, ist zwar anerkennenswert, doch könnte die Realität hinter diesem Vorhaben eher aus der Notwendigkeit als aus idealistischen Motiven resultieren. Mozilla versucht seit Jahren, die Abhängigkeit von Einnahmen durch Suchmaschinen zu reduzieren, insbesondere von dem lukrativen Vertrag mit Google. Google war über lange Zeit die wichtigste Einnahmequelle für Mozilla, und die Dynamik dieser Beziehung hat sich im Laufe der Zeit verändert. Zu Beginn war der Einfluss von Google nicht so stark ausgeprägt, aber als Google Chrome 2011 Firefox überholte, schien sich die Abhängigkeit von Mozilla gegenüber Google weiter zu verstärken. Diese Abhängigkeit ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Mozilla zwar einen Browser als Hauptprodukt anbietet, jedoch keine eigene Suchmaschine betreibt – ein wichtiger Dienst für jeden Browser, da die Suchfunktion eine der profitabelsten Komponenten im Browser-Ökosystem darstellt.
Obwohl Mozilla über erhebliche finanzielle Mittel verfügt – laut dem letzten Jahresabschluss verfügt das Unternehmen über Barreserven von mehr als 1 Milliarde Dollar — ist der Hauptgrund für diesen Reichtum die Partnerschaft mit Google. Google zahlt Mozilla eine beträchtliche Summe dafür, dass Google die Standardsuchmaschine in Firefox ist. Diese Zahlungen, die 2005 begannen, sind im Laufe der Jahre erheblich gestiegen und haben sich in den letzten zehn Jahren um 50% auf über 450 Millionen Dollar pro Jahr erhöht, obwohl die Nutzerzahlen von Firefox kontinuierlich zurückgegangen sind. Im Jahr 2021 machten die Zahlungen von Google nicht weniger als 83% der Gesamteinnahmen von Mozilla aus.
Vor dem Hintergrund dieser finanziellen Abhängigkeit kann Mozillas Vorstoß in den Bereich der Werbetechnologie als Versuch gewertet werden, die Einnahmequellen zu diversifizieren. Sollte dies ein Versuch sein, sich von den Einnahmen aus der Google-Suchmaschine zu lösen, können wir dies nur unterstützen.
Mozillas Erfolgsgeschichte als Verfechter des Datenschutzes
Um zu verstehen, warum der Schritt von Mozilla in die Werbetechnologie so überraschend erscheint, ist es hilfreich, einen Blick auf die lange Geschichte des Unternehmens als Verfechter des Datenschutzes zu werfen. Seit seiner Gründung in den späten 1990er Jahren hat sich Mozilla als Hoffnungsträger für Internetnutzer positioniert und das Prinzip „Internet für Menschen, nicht für Profit“ propagiert. Der Schutz der Privatsphäre wurde stets betont, wobei der Fokus auf dem Schutz vor der allgegenwärtigen Überwachung lag — insbesondere vor dem seitenübergreifenden Tracking, das ein Kennzeichen der werbegetriebenen Online-Welt ist.
Im Verlauf seiner Geschichte hat Mozilla sein Image als führendes Unternehmen im Bereich digitalen Datenschutzes konsequent gewahrt. Das Hauptprodukt, Firefox, war maßgeblich beim Schutz vor Tracking. Hier sind einige der bedeutendsten Schritte:
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Im Jahr 2011 wurde die „Do Not Track“-Funktion (DNT) in Firefox eingeführt, die es Nutzer:innen ermöglicht, Websites mitzuteilen, dass sie nicht möchten, dass ihre Online-Aktivitäten verfolgt werden. Obwohl diese Funktion heute oft als ineffektiv angesehen wird – viele Websites ignorieren die Anfrage einfach – symbolisierte dieser Schritt das Engagement von Mozilla für den Datenschutz.
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Im Jahr 2018 nahm Firefox eine proaktive Haltung ein und führte umfassende Maßnahmen zum Tracking-Schutz ein, die es erlauben, Cookies von Drittanbietern sowie bekannte Tracker zu blockieren.
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Im September 2019 wurden diese Funktionen in die ETP-Suite (Enhanced Tracking Protection) von Firefox integriert und standardmäßig aktiviert. Ein zentraler Aspekt dieser Aktualisierung war die Entscheidung, Cookies und Kryptominer von Drittanbietern standardmäßig zu blockieren. Im Jahr darauf verstärkte Mozilla den Datenschutz durch die Blockierung von Fingerabdruck-Skripten im Rahmen einer erweiterten ETP. Seitdem hat Firefox seine Anti-Tracking-Maßnahmen weiter ausgebaut, mit einem besonderen Augenmerk auf Tracker von Plattformen wie Facebook.
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Im Jahr 2021 ging Firefox gegen Supercookies vor, indem es Caches und Netzwerkverbindungen isolierte, sodass Websites keine „Supercookies“ erstellen konnten, die schwerer zu löschen und zu blockieren sind als herkömmliche Cookies.
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Im selben Jahr wurde die Funktion Total Cookie Protection eingeführt, die Cookies auf die Website beschränkt, auf der sie erstellt wurden, indem sie in separaten „Cookie-Jars“ abgelegt werden.
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Im Jahr 2022 wurde diese Funktion zur Standardfunktion für alle Firefox-Desktopversionen weltweit und Mozilla bezeichnete sich stolz als „der privateste und sicherste große Browser, der für Windows und Mac verfügbar ist“.
Angesichts des zunehmenden Engagements von Mozilla in der Werbetechnologie stellt sich jedoch die Frage: Kann das Unternehmen sein Erbe im Datenschutz bewahren oder wird die Notwendigkeit, Einnahmen zu erzielen, die grundlegenden Werte gefährden? Dies ist ein entscheidender Moment für Mozilla und wird von vielen datenschutzbewussten Nutzer:innen (uns eingeschlossen) genau verfolgt.